Mittwoch, 5. Dezember 2007

Erste Bestandsaufnahme

Zwei Tage später fühlte ich mich ausreichend erholt und es zog mich in die Halle, um das Auto nun einmal genauer anzuschauen. Zuerst galt es, alle die mitgegebenen Ersatzteile auszuladen. Das ist immer ein wenig wie Weihnachten. Was mag im Paket sein? Und dann eine Durchsicht der Technik und der Karosserie.

Ersatzteile

Es fanden sich sämtliche demontierten Kleinteile (Zierleisten, Lampen mit neuen Reflektoren, Stoßstangen - davon die hintere mit nagelneuer Verstärkung) sowie ein Haufen doppelter Zierleisten, Türgriffe etc. Dazu vier unbrauchbare Reifen auf Stahlfelgen, eine Colorverglasung lose sowie ein Satz Türverkleidungen in weinrot. Nun gut, das kann man sich ja mal weglegen.

Technik

Nachdem die acht Ventile wieder Ventilspiel hatten lief der Motor auch gleich viel besser und fast ohne Rauch. In der Einspritzpumpe war irgendeine gelbliche Brühe, da kam wieder Öl rein. Unter dem Auto sieht es mit der Technik recht ordentlich aus: Getriebe und Differential sind vorhanden und nur wenig undicht, die Bremsleitungen sind OK. Das Auto startet, fährt, bremst, schaltet und blinkt aus eigener Kraft. Soweit so gut.

Innenraum

Feucht. Die Bodenteppiche fehlen, im Gepäckraum sind rote Teppiche verbaut über deren Herkunft ich noch nicht mehr sagen kann. Die meisten Crayford-Teile sind da (Abdeckungen der Stoßdämpferbefestigungen, Innenverkleidung der Heckklappe, Heckklappendämpfer, Verkleidungen an den Fenstern im Laderaum) und die klappbare Rückbank ist funktionsfähig und komplett. Leider ist das rote Leder der Vordersitze stark beschädigt, hinten geht es. Leichtem Schimmel bin ich durch Reinigung und Auftragen von verdünnter Essigessenz beigekommen. Der durchgehende Himmel ist unbeschädigt, das Armaturenbrett bis auf eine aufgeklebte Bart Simpson-Figur (die sprenge ich weg!) auch. Die Türverkleidungen sind in Ordnung, lediglich die Türtaschen sind gerissen. Das schwarze Bakelitlenkrad ist tadellos und generell fehlt nur wenig (die Abdeckkappe vom Zugstarter zum Beispiel) und nur Kleinkram. Die Details des Umbaus sind spannend zu entdecken, subtil sind sie nicht immer (zum Beispiel die überaus massive Verriegelung der klappbaren Rücksitzlehne).

Karosserie

Nun ja. Der erste Eindruck von außen ist ja ziemlich schlecht, und im unteren Heckbereich (Radläufe innen und außen, Ersatzradmulde, Kofferraumseitentaschen) war auch kein gesundes Blech mehr zu finden - statt dessen zwei, drei oder vier Lagen Blechreste oder Blechstreifen übereinander, mit Abdichtmasse verschmiert. Die oberste Blechlage konnte ich teilweise mit dem Staubsauger absaugen. Die Schäden sind hier durch vergebliche Reparaturversuche entstanden.

Beide vordere Fußräume sind schlecht und vielfach durchgerostet, rechts (Fahrerseite) noch original durchlöchert, links schon wieder zusammengeschwartet. Auch das muss wieder raus. Die hinteren Fußräume wurden bereits schlecht repariert. Die Türen sind durch, die Heckklappe ist bis auf die verhärtete Scheibendichtung intakt und auch die Seitenscheiben des Umbaus sind soweit in Ordnung. Dafür ist das Dach unter dem Vinylbezug an zwei Stellen stark ver- oder durchgerostet.

Der Vorderbau ist an den Stehblechen wie üblich angegriffen, die vorderen Schwellerenden sind massiv durch und das Auto hat überhaupt nur noch eine Wagenheberaufnahme. Die Verstärkungen vor den A-Säulen haben unten keine Verbindung mehr zum Schweller, sind aber noch einlagig. Die Kotflügel hatte Geoff schon ersetzt, sie sind gebraucht aber scheinbar original und im Wesentlichen sehr gut.

Inmitten dieses Blechchaos, von Vandalen mit locker sitzenden Schweißgeräten angerichtet, finden sich Bereiche des allerfeinsten, rostfreien Originalzustands. Das Lenkhebelzwischenlager (hier natürlich links angeordnet) ist vollkommen intakt und strahlt mit dem Längsträger unter etwas losem Dreck in blauer Wagenfarbe. Hier war offensichtlich noch niemand dran.

Dann wollen wir mal.

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Sonntag, 2. Dezember 2007

Wir fahren nach England - und wieder zurück

Zum Frühstück erwarten uns Geoff und seine Frau mit zwei wunderbaren Full English Breakfast und zwei großen Bechern Tee, wie ihn nur die Engländer machen können. Noch einmal können wir diesen urenglischen Country Pub in Augenschein nehmen, dann geht es raus und wir zerren den /8 auf unserem Anhänger aus der Einfahrt, um ihn sorgfältig zu verzurren. Und jetzt zeigt uns England, was es kann. In dem Moment, in dem ich den ersten Spanngurt in die Hand nehme, kommt ein wunderbarer Winterregen herunter. Dazu scheint die Sonne, aber ich werde trotzdem so richtig nass. Spanngurte sind nun mal widerspenstig, da hilft Regen auch nicht. Nach ein paar Minuten bin ich fertig - in doppeltem Sinne, aufmerksam beäugt von freundlichen Engländern, und als ich mich ins Trockene retten kann, hört auch der Regen auf. Geoffs Pub ist übrigens das Haus am rechten Bildrand hinter der Bushaltestelle.



Also eine Art freundlicher Gruß von oben. Oder ein Abschiedsgeschenk. So kommen Geoff und seine Frau Libby noch kurz dazu und wir machen ein Abschiedsbild oder zwei.





Und dann kann es losgehen. Auf der Hinfahrt haben wir 5 1/2 Stunden von Dover gebraucht, und wir müssen um 17 Uhr da sein. Also wird es leider Zeit, sich zu verabschieden. Wir versprechen, mit dem restaurierten Crayford bald vorbeizuschauen. Ein Blick noch, er ist da...



und los gehts durch Südwestengland. Das Steuer halte heute ich in der Hand und Felix photographiert. Bei Tageslicht sieht es hier doch gleich viel freundlicher aus und auch die Sonne kommt ein wenig durch. Eine Umleitung führt uns an diesmal um Stonehenge herum, dafür erreichen wir schon bald eine Autobahn und gleiten ganz angenehm an London vorbei bis nach Dover in den Hafen.

Musikempfehlung, um die Stimmung einzufangen: "Simian Mobile Disco - Attack, Decay, Sustain, Release", Track 1: "Sleep Deprivation".























Bei so einem großen Auto mit so einem großen Anhänger möchte der Zoll doch einmal genauer draufschauen und wir werden in die Zollhalle geleitet. Dort empfängt uns eine freundliche Zöllnerin mit den Worten "You are taking some work home with you, are'nt you?", wirft einen kurzen Blick in den Kofferaum und schon geht es weiter. Doch die Fähre ist leider sehr verspätet, denn mittlerweile ist es richtig windig. So stehen wir in der Warteschlange vor den dunklen weißen Felsen von Dover und das Auto wird vom Wind hin- und hergeschüttelt. Draußen weht es eine Katze weg, es ist wirklich windig. Die für 18 Uhr gebuchte Fähre kommt schließlich gegen 20 Uhr, in der Zwischenzeit konnte ich etwas entspannen. Auf dem LKW-Deck heißt uns der Einweiser mit den Worten "Mildly patinated, isn't it?" ähnlich freundlich willkommen wie unsere Zöllnerin.





Für das Geschüttel und Gewirbel in Dover ist es an Bord dann erstaunlich ruhig. Auf den Seitengängen taumelt man ein wenig, doch vorne im Bug ist alles ruhig. Ein recht gutes Lammcurry beruhigt auch unsere Mägen und dann wird die Überfahrt zur Entspannung benutzt. Sehr bald sieht man die französische Küste, gegen 23 Uhr sind wir da. Als erste dürfen wir von Bord fahren, und der Crayford ist wieder auf dem Kontinent, auch wenn er das mangels Scheinwerfern nicht selber sehen kann. Aber er fühlt es.

Den Tempomat kann ich auf 100 km/h einrasten und dann beginnt die letzte Etappe: 400 Kilometer von Dünkirchen nach Essen. Die Musik wird langsam lauter gedreht, aber die Augen bleiben offen, es geht ganz gut.



Gegen 3 Uhr sind wir in Essen und fahren das Auto aus eigener Kraft vom Anhänger auf meine Hebebühne. Da steht er nun und darf entspannen. Wir hingegen müssen noch den Anhänger und das Zugfahrzeug wegbringen und Felix darf noch mehr als zwei Stunden im Stau stehen, bis jeder von uns Dreien schließlich ermattet aber zufrieden zur Ruhe liegt.



Das war anstrengend aber spannend. The Crayford has landed.

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Samstag, 1. Dezember 2007

Wir fahren nach England - nun aber richtig!

Reden wir mal nicht von den Vorbereitungen. Nicht von einem Zugfahrzeug, das in letzter Sekunde ausfällt und durch einen Mietwagen ersetzt werden muss. Nicht davon, dass die Reise von drei auf zwei Tage verkürzt werden muss. Nicht von einem Fährticket, das einfach nicht ankommt. Es hat alles irgendwie geklappt.

Also setzen sich am frühen Samstagmorgen zwei Spinner in Düsseldorf mit einem feinen Renault Grande Espace Diesel mit 173 PS von EuropCar und einem ziemlich großen Doppelachs-Autotransportanhänger in Richtung Dünkirchen in Bewegung, um einen Crayford aus seiner Heimat zu entführen. Der Mietwagen zieht das Gespann, als ob der Hänger überhaupt nicht vorhanden wäre. So vergehen die vier Stunden Fahrt durch Deutschland, die Niederlande, Belgien und ein Stück Frankreich wie von selbst. In Belgien darf man mit Anhänger 120 km/h fahren, in Frankreich sogar 130. Dazu scheint die Sonne. Ein guter Start.





So sind wir fast zwei Stunden zu früh im Hafen in Dünkirchen und man lotst uns in letzter Sekunde auf eine frühere Fähre. Von der befürchteten Orientierungslosigkeit im Hafen keine Spur, alles ist leicht zu finden, gut und sicher ausgeschildert, idiotensicher (wichtig für mich) und mit freundlichem Personal besetzt. Man weiß ja nie so richtig vorher, was kommt, das macht die Reise spannend. Der Zoll interessiert sich für den großen Kofferraum des Renaults, aber wir sind wirklich nur zu Zweit. Die Fähre der Norfolk-Linie ist modern und ordentlich, das Auto nimmt im LKW-Deck platz und wir lassen uns bei der Ausfahrt aus Dünkirchen mal so richtig durchpusten, immer noch wunderbares Wetter, ein Traum!







Also sind wir nach schön schaukeliger Überfahrt schon um 13 Uhr Ortszeit in Dover und nun übernimmt Felix die Steuerung des Gespanns. Er fährt links, als hätte er nie etwas Anderes gemacht. England empfängt uns freundlich und auch ein wenig sonnig, also geht es von der Fährenladung LKW mitgezogen ganz einfach über die Autobahn in Richtung London, über den südlichen Autobahnring an London entlang (ganz ohne Staus) und dann westwärts. Trotz der frühen Stunde dunkelt es schon leicht, wir haben noch 200 Kilometer vor uns.



Nach ein paar Dutzend Kilometern ist nun die Autobahn zu Ende und mündet in die Landstraße, die Südwestengland an die Hauptstadt anbindet. Aber auch hier: keine Staus, alles flüssig. Bei Stonehenge biegen wir kurz ab, dann geht es weiter nach Exeter und dann noch ein paar Kilometer ins Land. Inzwischen werden die Straßen wirklich eng, doch die Engländer fahren verständnisvoll und Felix kurvt sicher. Die letzten Kilometer habe ich eine Wegbeschreibung unseres Gastgebers und so finden wir unser Ziel auch leicht: das "Anchor Inn", eine uralte Dorfkneipe. Bei leichtem Nieselregen, nun schon ganz im Dunkeln, stellen wir unser Gespann davor ab, steigen aus und erstes läuft mir ein roter Kater über den Weg. In der Einfahrt wartet schon ein unter Planen eingepacktes Auto, doch die Front schaut heraus: es ist ein /8!

Drinnen sitzt das Dorf beim Pint, und Geoff, der Wirt und Verkäufer des /8, erwartet uns bereits. Er ist irgendwann in den 60ern hängengeblieben, und die ganze Kneipe ist sein Museum. Also rein, das erste Pint und das zweite, dazu gleich Geschichten vom /8 und freundliches Kopfschütteln der anderen Gäste: aus Deutschland? Für ein Auto? Wirklich? Nun ja, genau. Das Auto fahren wir dann auch schnell aus eigener Kraft auf den Hänger, ein gutes Zeichen, parken das Zugfahrzeug in der Einfahrt davor und kehren für den geselligen Teil in die Kneipe zurück. Mittlerweile ist Prominenz eingetroffen, denn Geoff war so freundlich, Ken kurz anzurufen. Ken ist ein älterer Engländer mit schlohweissen Haaren und ebensolchem Vollbart.



Und Ken kennt den Crayford /8, denn er hat ihn vor mehr als 20 Jahren selber besessen. Er hat Photoalben dabei, voller Mercedesse, aber ein Bild vom Crayford ist nicht dabei. Nun, das findet er auch noch, da ist er sich sicher. So folgen Geschichten über Geschichten aus alten Zeiten, und nach einem leckeren Curry geht es noch den ganzen Abend so weiter. Oliver Hehn, ein Bekannter aus deutschen Mercedes-Internetforen, kommt dazu, er wohnt gleich in der Nähe.

Geoff beherbergt uns für die Nacht, und während unten die Gäste weiterfeiern schlummern wir irgendwann oben der Heimfahrt mit dem neuen /8 entgegen.

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